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Warum eine Verschärfung der Schuldenbremse der falsche Ansatz ist

In einem viel beachteten Kommentar wird argumentiert, wer mehr Investitionen wolle, müsse die Schuldenbremse stärken

Der Kernfehler: Die Schuldenbremse wirft Investitionen und laufende Ausgaben in einen Topf und ignoriert, dass sich Zukunftsinvestitionen fundamental von konsumtiven Ausgaben unterscheiden.

1. Deutschland hat kein Ausgaben-, sondern ein Investitionsproblem

Seit Jahren wird in Deutschland zu wenig investiert: marode Brücken, überlastete Bahnstrecken, veraltete Schulen, schleppende Digitalisierung und ein gigantischer Investitionsstau bei Energie- und Verkehrsinfrastruktur. Das Ergebnis ist ein schleichender Verlust an Wettbewerbsfähigkeit.

Eine verschärfte Schuldenbremse würde den ohnehin engen Spielraum für zukunftsorientierte Investitionen weiter einschränken. Statt Probleme zu lösen, würden sie konserviert – und die Kosten in die Zukunft verschoben.

2. Prozyklisch statt stabilisierend: Die Schuldenbremse verschärft Krisen

Fiskalregeln können sinnvoll sein, wenn sie klug ausgestaltet sind. Die heutige Schuldenbremse ist jedoch in weiten Teilen prozyklisch:

  • In wirtschaftlich schwachen Phasen darf der Staat kaum zusätzliche Ausgaben tätigen, obwohl gerade dann Investitionen sinnvoll wären.
  • In guten Zeiten fehlt der Anreiz, Überschüsse gezielt in Zukunftsprojekte zu lenken, statt sie über Steuergeschenke oder Symbolpolitik zu verteilen.

Eine noch rigidere Auslegung der Schuldenbremse würde diesen Effekt verschärfen. Der Staat würde immer dann auf die Bremse treten, wenn Investitionen besonders nötig wären – etwa bei Transformation von Energie, Industrie oder Verkehr.

3. „Schulden“ sind nicht gleich Schulden

Der Kommentar stellt Staatsverschuldung pauschal als Risiko dar. Dabei ist der entscheidende Punkt: Wofür werden Schulden aufgenommen?

Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen:

  • konsumtiven Ausgaben (z. B. laufende Verwaltung, kurzfristige Wahlgeschenke)
  • Investitionen (z. B. Infrastruktur, Bildung, Digitalisierung, Energie- und Rohstoffsicherheit)

Unternehmen finanzieren ihre Investitionen selbstverständlich über Kredite, wenn diese langfristig Rendite bringen. Genauso kann ein Staat Infrastruktur finanzieren, die über Jahrzehnte Wachstum, Produktivität und Steuereinnahmen erhöht. Eine Schuldenbremse, die keine klare Trennung zwischen Konsum und Investition kennt, blockiert sinnvolle Zukunftsprojekte.

4. Implizite Schulden sind gefährlicher als explizite

Befürworter der Schuldenbremse verweisen gern auf „solide Staatsfinanzen“. Was sie ausblenden: Der Verzicht auf Investitionen bedeutet keine echte Einsparung, sondern die Entstehung impliziter Schulden:

  • Investitionsstau in Milliardenhöhe,
  • Produktivitätsverluste durch schlechte Infrastruktur,
  • höhere Kosten in der Zukunft (z. B. teurere Sanierungen, verpasste Technologie- und Standortchancen).

Diese versteckten Schulden tauchen nicht in der offiziellen Staatsschuld auf, sind aber real – und belasten kommende Generationen ebenso stark, wenn nicht stärker.

5. Internationaler Vergleich: Deutschland spart sich klein

Während andere Länder massiv in ihre Zukunft investieren – in Mikroelektronik, KI, Energieinfrastruktur, Rohstoffsicherheit und Verteidigung – hält sich Deutschland mit einer besonders strikten Fiskalregel selbst zurück. Die Folge:

  • Standortnachteile für Industrie und Mittelstand,
  • Abwanderung von Unternehmen und Fachkräften,
  • Rückstand bei Schlüsseltechnologien.

Gerade in einer Phase geopolitischer Spannungen und technologischer Umbrüche wäre eine Investitionsoffensive nötig – keine weitere Verschärfung von Ausgabelimits.

6. Politische Bequemlichkeit statt ehrlicher Prioritäten

Ein weiterer problematischer Punkt: Die Schuldenbremse ersetzt echte politische Prioritätensetzung. Statt offen zu diskutieren, welche Projekte wichtig sind und welche gestrichen werden sollten, können sich Regierungen hinter der Formel „Es geht leider nicht anders“ verstecken.

Nachhaltige Haushaltspolitik bedeutet jedoch nicht, jede Kreditaufnahme zu verteufeln, sondern:

  • laufende Ausgaben kritisch zu prüfen,
  • ineffiziente Subventionen abzubauen,
  • gezielt in Zukunftsfelder zu investieren.

Eine zu starre Schuldenbremse verhindert genau diese differenzierte Steuerung.

7. Wie ein sinnvoller Ansatz aussehen könnte

Statt die Schuldenbremse weiter zu verschärfen, wäre ein Reformansatz sinnvoll, der:

  • zwischen konsumtiven Ausgaben und Investitionen unterscheidet,
  • einen eigenen, klar begrenzten Rahmen für Zukunftsinvestitionen schafft,
  • über einen unabhängigen Investitionsrat die Qualität der Projekte überprüft,
  • Transparenz darüber herstellt, welche Schulden wofür aufgenommen werden.

So ließe sich finanzielle Solidität mit der Notwendigkeit verbinden, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu modernisieren und wetterfest für die kommenden Jahrzehnte zu machen.

Fazit: Mehr Investitionen – klügere Regeln statt harter Bremse

Die Forderung, die Schuldenbremse zu stärken, klingt nach Ordnungspolitik, ist in der Praxis aber ein Investitionsverhinderungsprogramm. Wer wirklich mehr Investitionen will, muss:

  • die Qualität der Ausgaben in den Mittelpunkt stellen,
  • Investitionen anders behandeln als laufenden Konsum,
  • implizite Schulden durch Investitionsstau ernst nehmen,
  • und den Staat in die Lage versetzen, zielgerichtet in Infrastruktur, Bildung und Innovation zu investieren.

Deutschland hat nicht zu viel, sondern zu wenig Zukunftsvermögen in den Bilanzen. Eine intelligente Reform der Schuldenregeln ist daher überfällig – eine bloße Verschärfung der Schuldenbremse wäre der falsche Weg.

Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Rechts- oder Anlageberatung dar, sondern eine ökonomische Einordnung der aktuellen Debatte rund um Schuldenbremse und staatliche Investitionen.