
Der Rubel hat 2025 tatsächlich ein beeindruckendes Comeback hingelegt und ist zu einer der weltweit stärksten Währungen geworden – trotz des anhaltenden Ukraine-Kriegs, sinkender Ölexporte und harter westlicher Sanktionen. Die Grafik zeigt eine Aufwertung von rund +40 % gegenüber dem US-Dollar (von ca. 113 RUB/USD Anfang 2025 auf etwa 81 RUB/USD Ende November).
Das scheint paradox, ist es aber nicht: Die Stärke resultiert aus einer Kombination aus russischer Gegenstrategie (z. B. Kapitalbeschränkungen und hohe Zinsen), geopolitischen Hoffnungen (Friedensgespräche) und strukturellen Effekten der Sanktionen selbst. Im Folgenden eine Schritt-für-Schritt-Erklärung.
1. Enge Geldpolitik der Zentralbank (CBR) – Hohe Zinsen als Anker
Die russische Zentralbank hat den Leitzins auf 21 % (Stand November 2025) hochgetrieben, um Inflation zu bekämpfen und Kapitalabflüsse zu stoppen. Das macht Rubel-Anlagen attraktiv für Investoren (z. B. Carry-Trades: billig in Yen leihen, teuer in Rubel anlegen).
- Folge: Erhöhte Nachfrage nach Rubel, was den Kurs stützt.
- Ohne diese Politik hätte der Rubel unter den Sanktionen kollabieren können, wie 2022 kurz nach Kriegsbeginn.
Allerdings ist das ein doppelschneidiges Schwert: Hohe Zinsen bremsen das Wachstum (GDP-Prognose nur ca. +1 % für 2025) und führen zu Stagflation – stagnierende Wirtschaft bei zugleich steigenden Preisen.
2. Kapital- und Devisenkontrollen – Sanktionen als „unfreiwilliger Helfer“
Seit 2022 (und verstärkt 2025) müssen Exporteure 70 % ihrer Deviseneinnahmen (z. B. aus Öl/Gas) in Rubel umtauschen. Das pumpt täglich Milliarden in den Rubel-Markt und verhindert Kapitalabflüsse.
- Sanktionen haben die Importe um rund 10 % gesenkt, da westliche Firmen abgezogen sind und Reisen/Transfers erschwert wurden. Weniger Importe bedeuten weniger Rubel-Nachfrage für Dollar/Euro – der Rubel wird tendenziell stärker.
- Paradox: Die Sanktionen stärken den Rubel, indem sie den Leistungsbilanzüberschuss auf Rekordniveau treiben. Russland exportiert mehr, als es importiert.
Diese Kombination aus Kontrollen und sinkenden Importen wirkt wie eine künstliche Stütze für die Währung.
3. Geopolitischer Optimismus: Hoffnungen auf Frieden und Sanktionserleichterung
Ein weiterer Treiber ist die Hoffnung auf einen Ukraine-Frieden nach Trumps Amtsantritt 2025. Gespräche und Signale in Richtung Waffenruhe haben Spekulationen angeheizt:
- Ein mögliches Ceasefire könnte Sanktionen lockern und Kapitalrückflüsse ermöglichen – der Markt preist diese Option teilweise ein.
- Der Rubel reagierte zeitweise mit Sprüngen nach oben, sobald es positive Nachrichten gab.
Doch diese Bewegung ist fragil: Bleiben konkrete Fortschritte aus, droht ein „plötzlicher Abfluss“, der den Rubel wieder schwächen könnte.
4. Positive Handelsbilanz und Ölpreise – Trotz Sanktionen resilient
Trotz um rund 20 % gesunkener Ölexport-Einnahmen (niedrigere Preise, Umwege wegen Sanktionen) bleibt der Leistungsbilanzüberschuss kräftig:
- Ausgaben laufen überwiegend in Rubel, Einnahmen in Dollar – das stabilisiert den Staatshaushalt trotz Druck.
- Exporteure repatriieren mehr Devisen als vorgeschrieben, insbesondere vor Steuerterminen – das sorgt für zusätzliche Rubel-Nachfrage.
- Ein schwächerer US-Dollar gibt dem Rubel zusätzlich Rückenwind.
Unterm Strich bleibt: Der Außenhandel liefert trotz Sanktionen weiterhin genügend Devisen, um den Rubel zu stützen.
5. Risiken und Nachhaltigkeit – Kein garantiertes Happy End
So beeindruckend die Rubel-Stärke aussieht, sie ist nicht ohne Risiko:
- Überbewertung: Viele Ökonomen sehen den Rubel als „künstlich gestützt“. Ein Rückgang auf 95–100 RUB/USD wird für die nächsten Quartale als realistisch eingeschätzt, falls Exporterlöse weiter leiden.
- Wirtschaftliche Belastung: Ein starker Rubel drückt auf das Budget und die Industrie – Exporte werden in Rubel gerechnet weniger wert, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft sinkt.
- Bankensektor: Steigende Risiken bei Krediten (Non-Performing Loans) könnten das Finanzsystem unter Druck bringen.
- Geopolitische Risiken: Neue Sanktionen oder eine Eskalation des Krieges könnten den Kurs schnell wieder auf deutlich höhere RUB/USD-Niveaus treiben.
Fazit: Starker Rubel – Zeichen der Stärke oder Folge von Druck?
Der Rubel ist 2025 stark, weil Russland die Sanktionen teilweise „umfunktioniert“ hat – durch Kontrollen, die Kapitalabflüsse blockieren, und eine Politik, die den Leistungsbilanzüberschuss maximiert. Der Krieg und die strukturellen Probleme der Wirtschaft verschwinden dadurch nicht, sie werden nur überdeckt.
Die Aufwertung ist daher weniger ein Ausdruck echter wirtschaftlicher Stärke als vielmehr das Ergebnis eines entschlossenen, aber riskanten Krisenmanagements. Für Investoren bedeutet das: hohe Volatilität und beträchtliches Abwärtspotenzial, falls Hoffnungen auf Frieden oder Sanktionserleichterungen enttäuscht werden.
Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Anlageberatung dar. Jeder Leser sollte eigene Recherchen anstellen und bei Bedarf einen unabhängigen Finanzberater konsultieren.
