In einem viel beachteten Kommentar wird argumentiert, wer mehr Investitionen wolle, müsse die
Schuldenbremse stärken
Der Kernfehler: Die Schuldenbremse wirft Investitionen und laufende Ausgaben in einen Topf
und ignoriert, dass sich Zukunftsinvestitionen fundamental von konsumtiven Ausgaben unterscheiden.
Seit Jahren wird in Deutschland zu wenig investiert: marode Brücken, überlastete Bahnstrecken,
veraltete Schulen, schleppende Digitalisierung und ein gigantischer Investitionsstau bei Energie- und
Verkehrsinfrastruktur. Das Ergebnis ist ein schleichender Verlust an Wettbewerbsfähigkeit.
Eine verschärfte Schuldenbremse würde den ohnehin engen Spielraum für
zukunftsorientierte Investitionen weiter einschränken. Statt Probleme zu lösen, würden sie
konserviert – und die Kosten in die Zukunft verschoben.
Fiskalregeln können sinnvoll sein, wenn sie klug ausgestaltet sind. Die heutige Schuldenbremse ist jedoch
in weiten Teilen prozyklisch:
Eine noch rigidere Auslegung der Schuldenbremse würde diesen Effekt verschärfen. Der Staat
würde immer dann auf die Bremse treten, wenn Investitionen besonders nötig wären – etwa bei Transformation
von Energie, Industrie oder Verkehr.
Der Kommentar stellt Staatsverschuldung pauschal als Risiko dar. Dabei ist der entscheidende Punkt:
Wofür werden Schulden aufgenommen?
Es gibt einen fundamentalen Unterschied zwischen:
Unternehmen finanzieren ihre Investitionen selbstverständlich über Kredite, wenn diese langfristig
Rendite bringen. Genauso kann ein Staat Infrastruktur finanzieren, die über Jahrzehnte Wachstum,
Produktivität und Steuereinnahmen erhöht. Eine Schuldenbremse, die keine klare Trennung zwischen
Konsum und Investition kennt, blockiert sinnvolle Zukunftsprojekte.
Befürworter der Schuldenbremse verweisen gern auf „solide Staatsfinanzen“. Was sie ausblenden:
Der Verzicht auf Investitionen bedeutet keine echte Einsparung, sondern die Entstehung
impliziter Schulden:
Diese versteckten Schulden tauchen nicht in der offiziellen Staatsschuld auf, sind aber real – und
belasten kommende Generationen ebenso stark, wenn nicht stärker.
Während andere Länder massiv in ihre Zukunft investieren – in Mikroelektronik, KI, Energieinfrastruktur,
Rohstoffsicherheit und Verteidigung – hält sich Deutschland mit einer besonders strikten Fiskalregel
selbst zurück. Die Folge:
Gerade in einer Phase geopolitischer Spannungen und technologischer Umbrüche wäre eine
Investitionsoffensive nötig – keine weitere Verschärfung von Ausgabelimits.
Ein weiterer problematischer Punkt: Die Schuldenbremse ersetzt echte politische Prioritätensetzung.
Statt offen zu diskutieren, welche Projekte wichtig sind und welche gestrichen werden sollten, können
sich Regierungen hinter der Formel „Es geht leider nicht anders“ verstecken.
Nachhaltige Haushaltspolitik bedeutet jedoch nicht, jede Kreditaufnahme zu verteufeln, sondern:
Eine zu starre Schuldenbremse verhindert genau diese differenzierte Steuerung.
Statt die Schuldenbremse weiter zu verschärfen, wäre ein
Reformansatz sinnvoll, der:
So ließe sich finanzielle Solidität mit der Notwendigkeit verbinden, den Wirtschaftsstandort
Deutschland zu modernisieren und wetterfest für die kommenden Jahrzehnte zu machen.
Die Forderung, die Schuldenbremse zu stärken, klingt nach Ordnungspolitik, ist in der Praxis aber ein
Investitionsverhinderungsprogramm. Wer wirklich mehr Investitionen will, muss:
Deutschland hat nicht zu viel, sondern zu wenig Zukunftsvermögen in den Bilanzen. Eine
intelligente Reform der Schuldenregeln ist daher überfällig – eine bloße Verschärfung
der Schuldenbremse wäre der falsche Weg.
Hinweis: Dieser Beitrag stellt keine Rechts- oder Anlageberatung dar, sondern eine ökonomische Einordnung
der aktuellen Debatte rund um Schuldenbremse und staatliche Investitionen.
1. Deutschland hat kein Ausgaben-, sondern ein Investitionsproblem
2. Prozyklisch statt stabilisierend: Die Schuldenbremse verschärft Krisen
3. „Schulden“ sind nicht gleich Schulden
4. Implizite Schulden sind gefährlicher als explizite
5. Internationaler Vergleich: Deutschland spart sich klein
6. Politische Bequemlichkeit statt ehrlicher Prioritäten
7. Wie ein sinnvoller Ansatz aussehen könnte
Fazit: Mehr Investitionen – klügere Regeln statt harter Bremse

